Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss bei Quotentrennungsunterhaltund Subsidiarität von Verfahrenskostenhilfe

29. November 2022
  1. Ein der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe entgegenstehender Anspruch
    auf Verfahrenskostenvorschuss gegen den Antragsgegner kommt,
    sofern der angemessene Selbstbehalt der Beteiligten nicht beeinträchtigt
    wird, auch bei der Geltendmachung von Trennungsunterhalt als Quotenunterhalt
    in Betracht, wenn dieser noch nicht laufend gezahlt wird.
  2. In diesem Falle ist der geleistete Verfahrenskostenvorschuss zur Wahrung
    des Halbteilungsgrundsatzes vorab – auf einen angemessenen Zeitraum
    verteilt – zur Bestimmung des Trennungsunterhalts vom Einkommen des
    Unterhaltspflichtigen abzuziehen.
    OLG Bremen, Beschl. v. 30.3.2022 – 5 WF 4/22
    I. Der Fall
    Die Antragstellerin beantragt Verfahrenskostenhilfe für die von ihr beabsichtigte
    Inanspruchnahme des Antragsgegners, ihres von ihr seit April 2020 getrenntlebenden
    Ehemannes, dessen bereinigtes Nettoeinkommen sie vor Abzug des Erwerbstätigenbonus
    für die Zeit bis Februar 2021 auf rund 4.260 EUR und für die Zeit ab März
    2021 auf rund 3.898 EUR beziffert, auf Zahlung eines nach Quote bemessenen
    rückständigen und laufenden Trennungsunterhalts in Höhe von monatlich 1.167 EUR.
    Mit Beschl. v. 5.11.2021 hat das Familiengericht den Verfahrenskostenhilfeantrag der
    Antragstellerin mit der Begründung zurückgewiesen, dass sie ihre Bedürftigkeit nicht
    hinreichend dargelegt habe, weil sie das Nichtbestehen eines Anspruchs gegen den
    Antragsgegner auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses, der auch bei der
    Geltendmachung eines Trennungsunterhaltsanspruch nach Quote in Betracht
    komme, nicht dargetan habe.
    Gegen diese Entscheidung, die ihr am 24.11.2021 zugestellt worden ist, wendet sich
    die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 21.12.2021, mit der sie ihre
    bereits bei Antragstellung mitgeteilte Auffassung, wonach im Falle eines nach Quote
    geltend gemachten Trennungsunterhaltsanspruchs kein Anspruch auf Zahlung eines
    Verfahrenskostenvorschusses gegen den Antragsgegner bestehe, weil dies dem
    Halbteilungsgrundsatz widersprechen würde, bekräftigt. Das Familiengericht hat die
    Sache mit Nichtabhilfebeschluss vom 11.1.2022 dem Senat zur Entscheidung
    vorgelegt.

II. Die Entscheidung
Das OLG Bremen ist der Auffassung, dass die zulässige sofortige Beschwerde der
Antragstellerin hat keinen Erfolg hat.
In den Gründen des Beschlusses vom 30.3.2022 führt es aus:
Das Familiengericht hat ihr die Verfahrenskostenhilfe zu Recht versagt, weil sie – mangels
Vortrags zum (Nicht-)Bestehen bzw. zur (Nicht-)Durchsetzbarkeit eines Anspruchs
auf Verfahrenskostenvorschuss gegen den Antragsgegner – ihre Bedürftigkeit i.S.d.
§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG nicht hinreichend dargetan hat.
Verfahrenskostenhilfe ist eine als Sonderform der Sozialhilfe geltende staatliche
Fürsorgeleistung und als solche gegenüber einem zu dem nach § 115 Abs. 2 ZPO für
die Verfahrenskosten einzusetzenden Vermögen gehörenden Anspruch der Antragstellerin
nach §§ 1360a Abs. 4 S. 1, 1361 Abs. 4 S. 4 BGB auf Verfahrenskostenvorschuss gegen den Antragsgegner, der hier nach dessen von der Antragstellerin
behaupteter Einkommenssituation durchaus in Betracht kommt, subsidiär. Es obliegt
daher, wie vom Familiengericht gefordert, der Antragstellerin, darzulegen, dass ein
Verfahrenskostenvorschuss von dem Antragsgegner nicht zu erlangen ist, weil er
entweder nicht besteht oder nicht zeitnah durchsetzbar ist.
Diese Obliegenheit hat die Antragstellerin nicht erfüllt, sodass ihre für die Bewilligung
von Verfahrenskostenhilfe notwendige Bedürftigkeit nicht feststellbar ist. Soweit die
Antragstellerin meint, sie müsse entsprechende Darlegungen nicht machen, weil bei
der Geltendmachung von Trennungsunterhalt als Quotenunterhalt grundsätzlich kein
Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses gegen den Unterhaltspflichtigen
bestehe, ist das Familiengericht dieser Auffassung zu Recht und mit
zutreffender Begründung, auf die der Senat ergänzend Bezug nimmt, entgegengetreten.
Zwar trifft es zu, dass nach wohl überwiegender Meinung ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss
neben der Zahlung von Trennungsunterhalt nur bejaht wird, wenn
dadurch der Halbteilungsgrundsatz nicht verletzt werde, was nur dann der Fall sei,
wenn der Unterhaltspflichtige über nicht prägende Einkünfte, über ein hohes Vermögen
oder über ein so hohes Einkommen verfügt, dass der Bedarf konkret und nicht
– wie im vorliegenden Fall – nach Quote zu bemessen ist; bei der Geltendmachung
vom Quotenunterhalt entspricht nach dieser Auffassung der Vorschussanspruch
regelmäßig nicht der Billigkeit im Sinne des § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB.
Nach anderer und aus Sicht des Senats vorzugswürdiger, wenngleich in der Praxis zu
aufwendigerem Vorgehen nötigender, Ansicht, die sich mit der vom Familiengericht
vertretenen Auffassung deckt, kann Vorstehendes zumindest in dieser Allgemeinheit
indes nicht gelten. Vielmehr muss jedenfalls dann, wenn – wie hier – noch kein
laufender Trennungsunterhalt im Rahmen des Halbteilungsgrundsatzes gezahlt wird,
die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen also noch nicht bereits aufgeteilt sind, vorab
der Verfahrenskostenvorschuss verlangt werden können, wenn der beiderseitige
angemessene Selbstbehalt hierdurch nicht beeinträchtigt wird. In diesem Fall ist der
geleistete Verfahrenskostenvorschuss zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes
vorab – auf einen angemessenen Zeitraum verteilt – vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen
zur Bestimmung des Trennungsunterhalts abzuziehen. Auf diese Weise
kann ohne Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes der Vorrang der Inanspruchnahme
des Verfahrenskostenvorschussanspruchs gegenüber der Verfahrenskostenhilfe Rechnung getragen werden.
Der mit der sofortigen Beschwerde vorgebrachte Einwand der Antragstellerin, wonach
Unterhaltspflichten zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs der Vorschusspflicht
vorgingen und die Nachrangigkeit des Anspruchs auf Verfahrenskostenvorschuss
gegenüber dem Trennungsunterhaltsanspruch ausgehebelt würde, wenn der
Unterhaltspflichtige Vorschusszahlungen leisten müsste und diese als Abzugsposten
bei der Berechnung des Trennungsunterhalts berücksichtigt und somit die Unterhaltshöhe
verringern würden, führt zu keiner anderen Bewertung. Es ist schon
zweifelhaft, ob die von ihr in diesem Zusammenhang angeführte Zitatstelle überhaupt
den Unterhaltsanspruch einschließt, für dessen Geltendmachung ein Verfahrenskostenvorschuss
in Betracht kommt oder ob damit lediglich bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit
des potentiell Vorschusspflichtigen zu berücksichtigende sonstige
Unterhaltspflichten gemeint sind. Unabhängig davon aber verkennt dieses Vorbringen
der Antragstellerin, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH der
Halbteilungsgrundsatz allein auf das für Konsumzwecke verfügbare „unterhaltsrele-vante“ Einkommen bezieht und dieses sich durch konkrete Bedarfspositionen
vermindert.


III. Der Praxistipp
Die vorliegende Entscheidung beschäftigt sich mit dem Problem der Wahrung des
Halbteilungsgrundsatzes im Rahmen des Quotentrennungsunterhalts bei Gewährung
eines Verfahrenskostenvorschusses.
Grundsätzlich verstößt die Bewilligung des Verfahrenskostenvorschusses gegen den
Halbteilungsgrundsatz, da über den nach dem Halbteilungsgrundsatz ermittelten
Trennungsunterhalt hinaus auch noch der Verfahrenskostenvorschuss durch den
Unterhaltsschuldner zu begleichen bzw. beglichen worden ist.
Die vom OLG Bremen angebotene Lösung dahingehend, dass vorab vom Einkommen
des Unterhaltsschuldners zur Bestimmung des Trennungsunterhalts der geleistete
Verfahrenskostenvorschuss auf einen angemessenen Zeitraum verteilt vom Einkommen
des Unterhaltspflichtigen bei Ermittlung des für den Trennungsunterhalt
unterhaltsrechtlichen relevante monatliche Nettoeinkommens in Abzug gebracht
wird, überzeugt und findet Anhänger insbesondere in der Literatur.

OLG Bremen, Beschl. v. 30.3.2022 – 5 WF 4/22