BGH: Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung durch unterhaltsberechtigte Eltern

15. Dezember 2015

Für den Unterhaltsberechtigten besteht grundsätzlich die Obliegenheit, Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ( §§ 41 ff. SGB XII ) in Anspruch zu nehmen. Eine Verletzung dieser Obliegenheit kann dazu führen, dass fiktive Einkünfte in der Höhe der entgangenen Leistungen angerechnet werden.

Die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist gemäß § 43 Abs. 3 Satz 6 SGB XII schon dann insgesamt ausgeschlossen, wenn bei einer Mehrzahl von unterhaltspflichtigen Kindern des Leistungsberechtigten nur eines der Kinder über steuerliche Gesamteinkünfte in Höhe von 100.000 € oder mehr verfügt. Deswegen erhielt der Unterhaltsberechtigte nachrangige Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe, § 19 Abs. 2 Satz 2, 27 ff. SGB XII). Mehrere unterhaltspflichtige Kinder haften anteilig für den Elternunterhalt, gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB. Der gesetzliche Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger für ein privilegiertes Kind, das ein steuerliches Gesamteinkommen hat, das unter 100.000 Euro liegt, stellt eine unbillige Härte dar im Sinne von § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, wenn dieses Kind den unterhaltsberechtigten Elternteil nicht darauf verweisen kann, die bedarfsdeckenden Grundsicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen, nur weil es nicht privilegierte Geschwister gibt. In diesem Fall kann das privilegierte Kind dem unterhaltsberechtigten Elternteil, das den Unterhaltsanspruch geltend macht, den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenhalten. Das kann er sowohl wegen vergangener als auch wegen zukünftiger Unterhaltszeiträume tun.

Beschluss vom 08.07.2015, AZ: XII ZB 56/14