BVerfG: Berücksichtigung fiktiver Einkünfte als Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG

15. März 2021

1. Zum Vorliegen eines Verfassungsverstoßes wegen Verletzung des Grundrechts auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit, wenn in einem familiengerichtlichen Verfahren zum Kindesunterhalt einem barunterhaltspflichtigen Elternteil fiktive Einkünfte zugerechnet werden, welche er objektiv nicht erzielen kann.

2. Zwar verlangt die Vorschrift des § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB im Fall einer Unterhaltspflicht für minderjährige Kinder eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Gleichwohl dürfen die Gerichte nichts Unmögliches verlangen, sondern haben im Einzelfall zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den beanspruchten Unterhalt zu zahlen, oder ob dieser dessen finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt.

3. Die Prüfung der Leistungsfähigkeit verlangt zunächst die Feststellung, ob subjektive Erwerbsbemühungen des Unterhaltspflichtigen fehlen; ferner müssen die zur Erfüllung der unterstreicht erforderlichen Einkünfte objektiv erzielbar sein.

4. Bei Annahme fiktiver Einkünfte sind die Fachgerichte von Verfassungs wegen gehalten, ihre Entscheidungsgrundlagen bei der Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt offenzulegen und somit eine Überprüfung zu ermöglichen. Ansonsten kann nicht geprüft werden, ob sie in vertretbarer Weise von einer objektiven Möglichkeit zur Erzielung hinreichender Einkünfte ausgegangen
sind.

5. Entsprechende Anforderungen gelten wegen des erhöhten Eingriffsgewichts bei Annahme fiktiver Einkünfte für die fachgerichtliche Beurteilung, ob der Unterhaltspflichtige seiner Darlegungs- und Beweislast zur Einschränkung oder Aufhebung der Leistungsfähigkeit nachgekommen ist.

BVerfG, Beschl. v. 9.11.2020 – 1 BvR 697/20

I. Der Fall

Die Beschwerdeführerin ist Mutter einer minderjährigen Tochter und eines minderjährigen Sohnes, die beide von dem von ihr getrennt lebenden Vater betreut werden. Die Beschwerdeführerin hat eine Berufsausbildung als Floristin, übt diesen Beruf jedoch seit langem nicht mehr aus. Seit 07/2019 geht sie einer Teilzeitbeschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden nach; zudem erhält sie Leistungen nach dem SGB II. Sie leidet an einer psychischen Erkrankung. Nach der in einer ärztlichen Bescheinigung geäußerten Einschätzung der sie behandelnden Fachärztin ist ihre Erwerbsfähigkeit deutlich eingeschränkt und besteht höchstens für vier Stunden täglicher Arbeitszeit bei vier Arbeitstagen pro Woche.

Aufgrund gerichtlicher Entscheidung wurde die Beschwerdeführerin in 04/2017 zur Zahlung von Kindesunterhalt an ihre Tochter in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts verpflichtet. Einen in 02/2019 gestellten Antrag, sie zur Zahlung des Mindestunterhalts auch an ihren Sohn zu verurteilen, lehnte das Familiengericht mit der Begründung mangelnder Leistungsfähigkeit ab. Dagegen legte der Beistand des Sohnes Beschwerde ein.

Mit angegriffenem Beschl. v. 14.1.2020 änderte das Oberlandesgericht die familiengerichtliche Entscheidung ab und verpflichtete die Beschwerde-führerin, an ihren Sohn Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen staatlichen Kindergeldes zu zahlen. Die Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin sei wegen einer Verletzung ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit unter Rückgriff auf fiktive Einkünfte zu ermitteln. Sie trage nicht mit hinreichender Substanz Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit beziehungsweise
die Unfähigkeit zu solchen aufgrund einer Krankheit vor. Bereits gegenwärtig arbeite die Beschwerdeführerin 20 Wochenstunden und überschreite damit die ärztlich geratene Maximalgrenze von 16 Wochenarbeitsstunden. Es sei daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ihrem Ausbil-dungsberuf als Floristin bis zu einer Arbeitszeit von 48 Wochenstunden nachgehen könne.

II. Die Entscheidung
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Das Bundesverfassungsgericht hält die Verfassungsbeschwerde für begründet.

1. Die angegriffene Entscheidung verletze die Beschwerdeführerin in ihrem aus Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Grundrecht auf wirtschaftliche Handlungs-freiheit. Das Oberlandesgericht habe die Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin anhand eines fiktiven Einkommens verfassungsrechtlich nicht tragfähig begründet. Insbesondere habe es nicht nachvollziehbar dargelegt, worauf es seine Annahme stütze, die Beschwerdeführerin könne bei ausreichenden, ihr zumutbaren Bemühungen ein Einkommen in der zur Zahlung des titulierten Unterhalts erforderlichen Höhe erzielen.

a) Die Auferlegung von Unterhaltsleistungen schränke den Verpflichteten in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Handlungsfreiheit ein. Diese sei jedoch nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet, zu der auch das Unterhaltsrecht gehöre, soweit dieses mit Art. 6 Abs. 1 GG in Einklang stehe. Der ausgeurteilte Unterhalt dürfe allerdings nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Unterhaltspflichtigen führen. Werde die Grenze des Zumutbaren eines Unterhaltsanspruchs überschritten, sei die Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Verpflichteten im finanziellen Bereich als Folge der Unterhaltsansprüche nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und könne vor dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GGnicht bestehen.

aa) Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht sei § 1603 Abs. 1 BGB, nach dem nicht unterhaltspflichtig ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind nach § 1603 Abs. 2 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Aus dieser in Art. 6 Abs. 2 GG wurzelnden
fachrechtlichen Vorschrift folge die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz ihrer Arbeitskraft. Verfassungsrechtlich sei dabei nicht zu beanstanden, dass bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit nicht allein auf das tatsächliche Vermögen und Einkommen des Verpflichteten, sondern auch auf dessen Arbeits- und Erwerbsfähigkeit abgestellt werde und demzufolge dem Unterhaltsschuldner ein fiktives Einkommen zugerechnet werde, wenn er eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlasse, obwohl er diese „bei gutem Willen“ ausüben könne. Die Leistungsfähigkeit eines Unterhalts-pflichtigen werde damit nicht ausschließlich durch sein tatsächlich vorhandenes Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Erwerbsfähigkeit und seine Erwerbsmöglichkeiten.

bb) Gleichwohl bleibe Grundvoraussetzung eines jeden Unterhaltsanspruchs die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Das Unterhaltsrecht ermögliche es insofern den Gerichten, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen. Auch im Rahmen der gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Erwerbsobliegenheit dürfe von Unterhaltspflichtigen nach § 1603 Abs. 2 BGB nichts Unmögliches erlangt werden. Die Gerichte hätten im Einzelfall zu prüfen, ob Unterhaltspflichtige in der Lage seien, den beanspruchten Unterhalt zu zahlen, oder ob dieser ihre finanzielle
Leistungsfähigkeit übersteige.

cc) Fachrechtlich setze die Zurechnung fiktiver Einkünfte, welche die Leistungsfähigkeit begründen sollen, zweierlei voraus. Zum einen müsse feststehen, dass subjektiv Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners fehlten. Zum anderen müssten die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten objektiv erzielbar sein, was von seinen persönlichen Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiographie und Gesundheitszustand und dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhänge. Fehle es daran und werde die Erwirtschaftung eines Einkommens abverlangt, welches objektiv nicht erzielt werden könne, liege regelmäßig ein unverhältnismäßiger Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit vor.

dd) Bei der Anwendung von § 1603 BGB könnten die Fachgerichte allerdings verfassungsrechtlich bedenkenfrei davon ausgehen, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Leistungsunfähigkeit zunächst den Verpflichteten treffe. Das gelte grundsätzlich für sämtliche Umstände, die zu einer Ein-schränkung der Leistungsfähigkei führen könnten. Dementsprechend müsse derjenige, der sich gegenüber seine Erwerbsobliegenheit auf eine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit berufen wolle, grundsätzlich Art und Umfang der behaupteten gesundheitlichen Beein-trächtigungen oder Leiden angeben, und er habe ferner darzulegen, inwieweit die behaupteten gesundheitlichen Störungen sich auf die Erwerbsfähigkeit
auswirkten. Habe der Unterhaltspflichtige allerdings ausreichend substantiiert konkrete Umstände vorgetragen, die eine Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit ergeben könnten, seien die Gerichte im Rahmen der gebotenen Zumutbarkeitsprüfung gehalten, ein fiktives Einkommen ausgehend von den vorgetragenen Umständen realitätsgerecht festzustellen und zu begründen.

ee) Stütze sich die Verurteilung des Unterhaltspflichtigen nach den vorgenannten materiellen und prozessualen Maßgaben auf fiktives Einkommen, steigere dies typischerweise die Intensität des Eingriffs in das betroffene Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Während das Unterhaltsrecht in der Regel die Berufsentscheidung derjenigen akzeptiere, die Unterhalt schulden, mitsamt der sich hieraus ergebenden Konsequenzen für die Höhe des zumutbar zu leistenden Unterhalts, gehe mit der Heranziehung fiktiver Einkünfte die Gefahr einher, die tatsächliche Leistungsfähigkeit zu überspannen und Unmögliches von ihm zu verlangen. Angesichts dessen und der an der Intensität des Grundrechtseingriffs ausgerichteten verfassungsgerichtlichen
Prüfung seien die Fachgerichte insoweit von Verfassungs wegen gehalten, ihre Entscheidungsgrundlagen bei der Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt auf fiktiver Basis offenzulegen und somit deren Überprüfung zu ermöglichen. Andernfalls wäre nicht kontrollierbar, ob sie in vertretbarer Weise von einer objektiven Möglichkeit hinreichender Einkommenserzielung ausgegangen und ihnen keine Auslegungsfehler unterlaufen seien, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und Tragweite der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit beruhen würden. Entsprechende Anforderungen würden wegen des erhöhten Eingriffsgewichts einer Verpflichtung zur Unterhaltszahlung auf der Grundlage fiktiven Einkommens auch für
die fachgerichtliche Beurteilung gelten, ob die unterhaltspflichtige Person ihrer Darlegungs- und gegebenenfalls Beweislast zur Einschränkung oder Aufhebung der Leistungsfähigkeit nachgekommen sei.

b) Diesen Anforderungen genüge die Entscheidung des Oberlandesgerichts, das die Beschwerdeführerin unter Rückgriff auf fiktive Einkünfte zur Leistung von Unterhalt verpflichtet, ohne die objektive Möglichkeit zur Erzielung eines hierfür erforderlichen Einkommens zu erörtern, nicht.

aa) Zwar habe das Oberlandesgericht noch in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise begründet, dass die Beschwerdeführerin nicht hinreichend dargelegt habe, sich um eine Erwerbstätigkeit in ihrem erlernten Beruf oder in einer anderen Position zu bemühen. Dabei sei es vertretbar davon ausgegangen, dass sie nicht hinreichend dargetan habe, krankheitsbedingt an entsprechenden Bemühungen gehindert zu sein.

bb) Das Oberlandesgericht begründe nicht in einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Weise, dass die Beschwerdeführerin ihrer Darlegungslast insoweit nicht nachgekommen sei, als sie eine krankheitsbedingte Einschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit geltend gemacht habe, die das Erzielen eines Einkommens in der zur Begleichung des titulierten Unterhalts erforderlichen Höhe objektiv ausschließt (1). Wegen der ungenügenden Begründung zur Nichterfüllung der Darlegungslast hielte die Verurteilung der Beschwerdeführerin zur Unterhaltszahlung verfassungs-rechtlicher Prüfung lediglich dann stand, wenn das Oberlandesgericht tragfähig die objektive Möglichkeit der Beschwerdeführerin dargelegt hätte, das für den titulierten Unterhaltsanspruch erforderliche Einkommen erzielen zu können.
Daran fehlt es jedoch (2).

(1) Die Beschwerdeführerin habe im fachgerichtlichen Verfahren, gestützt auf eine Bescheinigung der sie behandelnden Fachärztin, vorgetragen, krankheitsbedingt lediglich vier Stunden an vier Werktagen, also 16 Wochenstunden, erwerbstätig sein zu können.

Die Erwägung des Oberlandesgerichts, die darin liegende Behauptung zeitlich begrenzter Erwerbsfähigkeit könne sich nicht auf die fachärztliche Einschätzung stützen, weil die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben aktuell im Umfang von 20 Wochenstunden arbeite, genüge nicht als Begründung dafür, dass die Beschwerdeführerin nicht ausreichend substantiiert zu Einschränkungen ihrer Leistungsfähigkeit vorgetragen habe. Denn sie habe ebenfalls unter Berufung auf die fachärztliche Einschätzung geltend gemacht, ihre Erkrankung gehe mit einer Neigung zur Überschätzung
der eigenen Belastbarkeit einher, und weiter vorgebracht, im Fall der Überforderung drohe eine akute Verschlechterung des vorhandenen Krankheitsbildes. Der Begründung der angegriffenen Entscheidung lasse sich nicht entnehmen, dass sich das Oberlandesgericht mit diesem konkreten, für den Umfang der Erwerbsfähigkeit und damit für die Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin bedeutsamen Vortrag auseinandergesetzt habe. Damit fehle eine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung dafür, unzureichende Darlegungen der Beschwerdeführerin zu ihrer eingeschränkten Leistungsfähigkeit anzunehmen.

(2) Die objektive Möglichkeit für die Beschwerdeführerin, bei Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Umfang von 48 Wochenstunden tatsächlich Einkommen in einer zur Bedienung des titulierten Unterhalts erforderlichen Höhe erzielen zu können, sei nicht in einer, verfassungsrechtlicher Prüfung standhaltenden Weise festgestellt.

(a) Dem angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts lasse sich bereits nicht entnehmen, in welcher Höhe die Beschwerdeführerin Einkommen erzielen müsste, um für den titulierten Unterhalt leistungsfähig zu sein. Eine Kalkulation stelle das Gericht weder zu der für Kindesunterhalt für zwei Kinder erforderlichen Höhe des Einkommens noch zur Höhe des für die Beschwerdeführerin objektiv möglichen Einkommens an. Obwohl die Beteiligten des Ausgangsverfahrens übereinstimmend vorgetragen hätten, dass die Beschwerdeführerin Mutter eines zweiten minderjährigen Kindes sei, gehe das Oberlandesgericht nicht darauf ein, ob und wie sich die nach § 1609 Nr. 1 BGB gleichrangige Unterhaltsberechtigung beider minder-jähriger Kinder auf die Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin zur Zahlung vollen Unterhalts angesichts ihres zu wahrenden Selbstbehalts auswirke. Möglicherweise habe das Oberlandesgericht trotz des insoweit unstreitigen Beteiligtenvorbringens die Existenz des zweiten Kindes der Beschwerdeführerin bei der Beschlussfassung übersehen.

(b) Die angegriffene Entscheidung enthalte zudem keine tragfähige Feststellung dazu, worauf das Oberlandesgericht seine Auffassung stütze, dass die Beschwerdeführerin bei Einsatz ihrer vollen Arbeitskraft und bei Aufnahme einer ihrer persönlichen Voraussetzungen entsprechenden Arbeit objektiv in der Lage wäre, ein Einkommen in der erforderlichen Höhe zur Leistung des titulierten Unterhalts zu erzielen. Auf die persönlichen Voraussetzungen, wie beispielsweise Alter, berufliche Qualifikation, Erwerbsbiografie und das Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen, gehe es trotz ent-sprechenden Vortrags nicht ernsthaft ein. Es beschränke sich auf den Hinweis, die Beschwerdeführerin könne 48 Wochenstunden als Floristin arbeiten, ohne sich mit deren zahlreich vorgebrachten Bedenken hinsichtlich des durchschnittlich und maximal zu erwartenden Lohnes sowie ihrer lückenhaften Erwerbsbiographie auseinanderzusetzen. Die Ausführungen wiesen nicht erkennen, ob sich das Oberlandesgericht der Anspruchs-voraussetzung einer objektiven Erzielbarkeit der erforderlichen Einkünfte bewusst war.

III. Der Praxistipp
Fiktive Einkünfte bzw. deren einkommenserhöhende Anrechnung sowohl auf Seiten des Unterhaltsschuldners als auch des Unterhaltsgläubigers sind regelmäßig Gegenstand von Unterhaltsverfahren.
Dabei ist der Praktiker immer wieder mit unterschiedlichen Ansätzen/Meinungen der Familiengerichte konfrontiert, die entweder apodiktisch – fast reflexhaft – fiktive Einkünfte einkommenserhöhend oder aber gar nicht berücksichtigen.
Die dargestellte Entscheidung macht deutlich, dass eine solche Vorgehensweise des Gerichts nicht den Anforderungen entspricht und konsequenter-weise nicht akzeptiert werden kann bzw. muss. Hier bietet die dargestellte Entscheidung fundierte dogmatische Ausführungen und Argumentationshilfen für den Praktiker.