OLG Brandenburg: Abänderung Vergleich zum Trennungsunterhalt bei kurzer ehelicher Lebensgemeinschaft und langwierigem Verbundverfahren

27. April 2023

OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.9.2022 – 13 UF 14/22

I. Der Fall

Die beschwerdeführende Antragsgegnerin wendet sich gegen die Abänderung eines Vergleichs über die Zahlung von Trennungsunterhalt des Antragstellers an sie. Die seit 2016 verheirateten und seit 2018 voneinander getrennt lebenden Beteiligten schlossen vor dem Amtsgericht in einem einstweiligen Anordnungsverfahren einen Vergleich, wonach der Antragsteller sich verpflichtete, ab 11/2018 an die Antragsgegnerin monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 750,00 EUR zu zahlen.

Auf den in 02/2020 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers hat das Amtsgericht mit Teilbeschluss vom 12.5.2020 in der Folgesache Zugewinnausgleich den Antragsteller zur Auskunft über sein Vermögen verpflichtet und sodann mit Beschlüssen vom 28.8.2020 diese Folgesache vom Scheidungsverbund abgetrennt und die Ehe der Beteiligten geschieden. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hat der Senat mit Beschluss den Scheidungsbeschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Die gegen den daraufhin am 3.5.2022 über die Ehescheidung und die Folgesache Zugewinnausgleich ergangenen Beschluss des Amtsgerichts gerichtete Beschwerde hat die Antragsgegnerin im Verfahren zurückgenommen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht in Abänderung des Vergleichs festgestellt, dass der Antragsteller seit dem 16.9.2021 an die Antragsgegnerin keinen Unterhalt mehr zu zahlen habe. Mit Blick auf die kurze Zeit des Zusammenlebens der Beteiligten, die Ehezeit von nur 3,8 Jahren und den Umstand, dass der Antragsteller bereits seit 36 Monaten Trennungsunterhalt zahle, sei seine weitere Inanspruchnahme im Sinne von §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 8 BGB unbillig und unverhältnismäßig.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Antragsgegnerin geltend, das Amtsgericht habe verkannt, dass ein Verwirkungstatbestand tatsächlich nicht erfüllt sei.

II. Die Entscheidung

Das OLG Brandenburg hält die Beschwerde für statthaft, im Übrigen auch zulässig und darüber hinaus begründet. Insofern führt es folgendes aus:

Die Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs ist zulässig, sofern ein Abänderungsantragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung rechtfertigen. Insoweit ist die Abänderung des Vergleichs nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zu beurteilen und eine Anpassung hat unter größtmöglicher Wahrung der vertraglichen Maßstäbe und Wertungen zu erfolgen. Danach ist der geänderte Unterhaltsanspruch unter Einarbeitung der geänderten Elemente unter Beibehaltung der unveränderten Elemente zu ermitteln. Sind die Grundlagen der Unterhaltsvereinbarung nicht festgestellt und auch durch Auslegung oder auf sonstige Weise nicht feststellbar, besteht bereits kein hinreichender Ansatz für eine Anpassung an die veränderten Umstände. Dabei trägt derjenige, der Rechte aus § 313 BGB geltend macht, die objektive Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Wer einen Anpassungsanspruch aus § 313 Abs. 1, 2 BGB erhebt, muss also nachweisen, dass bestimmte Umstände zur gemeinsamen Geschäftsgrundlage geworden sind und dass diese Umstände entweder von Anfang an nicht gegeben waren oder sich später schwerwiegend verändert haben.

Der Antragsteller macht geltend, Grundlage des zum Trennungsunterhaltsanspruch der Antragsgegnerin abgeschlossenen Vergleichs sei ein von beiden Seiten zügig zu betreibendes Scheidungsverfahren gewesen. Dies ist weder dem Wortlaut des Vergleichs noch dem Protokoll der Sitzung, in der der Vergleich geschlossen wurde, zu entnehmen und wird von der Antragsgegnerin auch in Abrede gestellt. Er hat auch auf entsprechenden Hinweis des Senats nicht vorgetragen, dass seine Behauptung gleichwohl für beide Ehegatten Geschäftsgrundlage des Vergleichs war, insoweit also Übereinstimmung bestand. Auch hat der Antragsteller nicht dargelegt, welchen Zeitraum die Beteiligten hinsichtlich der genauen Dauer des Scheidungsverfahrens bei der Begrifflichkeit „zügig“ gemeinsam im Blick gehabt haben sollten. Nach Vortrag des Antragstellers entsprach es bei Abschluss des Vergleichs vielmehr nur seiner eigenen Vorstellung, das Scheidungsverfahren werde nach Ablauf des Trennungsjahres nur wenige Monate dauern.

Etwas anderes lässt sich auch durch Auslegung unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Falles nicht ermitteln, ergibt sich insbesondere nicht allein aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin vor Abschluss des Vergleichs erklärt hat, sie halte die Ehe für unwiederbringlich gescheitert, da eine derartige Erklärung keinen Einfluss auf zu regelnde Folgesachen und deren Dauer hat. Gleichermaßen nicht vorgetragen ist, was die Beteiligten vereinbart hätten, wäre ihnen bei Vergleichsabschluss bekannt gewesen, dass das Scheidungsverfahren außergewöhnlich lange dauert, insbesondere welche genaueren Umstände in diesem Zusammenhang relevant sein sollten und ob diese auch einen vollständigen Wegfall der Zahlungsverpflichtung zur Folge gehabt hätten. Auch insoweit ist der Antragsteller darlegungs- und beweispflichtig. Dass die Antragsgegnerin bei von ihr verursachter Verschleppung des Scheidungsverfahrens auf den Trennungsunterhalt verzichtet hätte, ist dabei mit Blick auf die vom Antragsteller behauptete bewusste Erschleichung des Trennungsunterhalts durch sie ebenso lebensfremd, wie die Annahme, der Antragsteller hätte sich durch eine von ihm verursachte Verzögerung des Scheidungsverfahrens seiner Zahlungsverpflichtung entledigen können.

Es liegt aber im Wesentlichen gerade im Verantwortungsbereich des Antragstellers, dass das Scheidungsverfahren insgesamt 2,5 Jahre gedauert hat. Immerhin ist der Scheidungsantrag des Antragstellers nicht bereits nach Ablauf des Trennungsjahres in 10/2019, sondern erst am 29.1.2020 beim Amtsgericht eingegangen. Dass die zeitlichen Ressourcen des Antragstellers die hierfür notwendige Zuarbeit zur Antragstellung durch seinen Verfahrensbevollmächtigten nicht zugelassen haben sollen, fällt in seine Risikosphäre.

In der Folgesache Zugewinnausgleich hat der Antragsteller von sich aus keine ausreichende Auskunft erteilt, musste vielmehr hierzu erst durch das Amtsgericht mit Teilbeschluss vom 12.5.2020 verpflichtet werden. Auch hat der Senat mit Beschluss festgestellt, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, also noch Ende 04/2021, seiner Auskunftsverpflichtung aus dem Teilbeschluss des Amtsgerichts vom 12.5.2020 bisher nicht nachgekommen war. Allein durch seine mangelnde Auskunftserteilung sogar noch nach erstinstanzlicher Titulierung derselben hat der Antragsteller das Scheidungsverfahren schon selbst um knapp ein Jahr verzögert. Es wäre ihm dabei auch ohne weiteres möglich gewesen, den von ihm behaupteten „bloßen Zahlendreher“ in der Auskunft über sein Vermögen mit einer berichtigten Auskunft auch ohne Entscheidung des Senats zu beheben. Auf eine abweichende Rechtsansicht des Antragstellers zur vermeintlichen Erfüllung seiner Auskunftspflicht kommt es dabei ebenso wenig an wie auf seine Annahme, die Antragsgegnerin habe ihre Zugewinnausgleichsansprüche auch auf Basis der bereits erteilten Auskünfte beziffern können. Sie war schon allein mit Blick auf den in 2. Stufe weiterhin möglichen Antrag, die Vollständigkeit der Auskunft durch den Antragsteller zunächst an Eides statt versichern zu lassen, jedenfalls nicht dazu verpflichtet.

Nach Abzug dieses Zeitraums dauerte das Scheidungsverfahren, welches vom Amtsgericht im Frühjahr 2022 entschieden und in der Beschwerdeinstanz seit dem 15.9.2022 rechtskräftig abgeschlossen ist, nicht übermäßig lang