OLG Braunschweig: Keine Kindeswohlgefährdung wegen Förderdefiziten

9. Januar 2023

Der Vorwurf, dass ein behindertes Kind nicht die bestmögliche Förderung erhält, begründet
keine Gefährdung des Kindeswohls. Auch die Möglichkeit, dass ein allein betreuender
Elternteil zukünftig ausfällt, stellt keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar. Deshalb
wird die elterliche Sorge nicht entzogen.
Ist das geistige, seelische oder körperliche Wohl von Kindern durch das Verhalten der
sorgeberechtigten Eltern gefährdet, obliegt es dem Staat, die Kinder zu schützen. § 1666 BGB,
die zentrale Vorschrift des zivilrechtlichen Kinderschutzes, ermöglicht es den
Familiengerichten in solchen Fällen in das Sorgerecht der Eltern einzugreifen.
Dabei unterliegt das Gericht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, d.h. es darf nur
erforderliche Maßnahmen ergreifen und hat stets zu prüfen, dass diese auch die mildesten
Eingriffe in das elterliche Sorgerecht darstellen.
Eingriffe nach § 1666 BGB in das Elternrecht kommen danach immer nur dann in Betracht,
wenn von einer konkreten Gefahr für das Kind auszugehen ist.
Eingriffe in das Sorgerecht, um eine optimale Förderung zu erzwingen, sind hingegen vom
Kinderschutzrecht – auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts – nicht von dem
Wächteramt erfasst.


Az 2 UF 122/2 Beschluss vom 22.12.2022